Interview
E-Auto oder E-Fuels: Wir brauchen beides!
Immer häufiger werden in der aktuellen Debatte um die Verkehrswende Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass die Klimaziele für den Verkehrssektor mit E-Mobilität allein nicht zu schaffen seien. Als Ergänzung werden E-Fuels ins Spiel gebracht, mit denen auch konventionelle Verbrennungsmotoren eine CO2-neutrale Perspektive bekommen. Wir haben darüber mit einem Experten für Fahrzeugentwicklung gesprochen: Dr. Norbert W. Alt, Chief Operating Officer (COO) und Geschäftsführer der FEV Group GmbH.
Herr Alt, welche Rolle können E-Fuels aus Ihrer Sicht beim Klimaschutz spielen?
Dr. Norbert Alt: „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir die Elektromobilität. Das ist ein ganz wichtiger Baustein. Aber wir haben hier Simulationen erstellt und alles durchgerechnet: Selbst, wenn ab heute jedes zweite neu zugelassene Auto ein E-Auto wäre, würden wir die Klimaschutz-Ziele von 2050 nicht erreichen. Als Ergänzung brauchen wir E-Fuels.“
Was ist mit den herkömmlichen Kraftstoffen, die wir heute tanken?
Dr. Norbert Alt: „Wir müssen bis 2040 komplett weg von fossilen Kraftstoffen, wenn wir die Pariser Klimaschutzziele für 2030 und 2050 erreichen wollen. Wir sagen: Wir lassen das Öl einfach in der Erde. E-Fuels müssen dabei eine wichtige ergänzende Rolle zur Elektromobilität spielen. Wir sehen E-Fuels durchaus auch in Autos. Es wird niemals ein großes Flugzeug mit Batterie fliegen, aber im Automobilbereich ist die Elektromobilität mittlerweile die zunehmend angestrebte Antriebslösung, sollte aber durch E-Fuels ergänzt werden.“
Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von E-Fuels?
Dr. Norbert Alt: „Viele E-Fuels sind rückwärtskompatibel und können konventionellen Kraftstoffen beigemischt werden. Das ist ein Riesenvorteil für Autofahrer: Auch Menschen, die ein altes Fahrzeug fahren und noch kein modernes E- oder Hybrid-Auto, können ein CO2-freies Auto fahren. Die Herstellung und Verwendung von E-Fuels ist annähernd treibhausgasneutral. Ein flächendeckend effektiver Einsatz von E-Fuels lässt sich allerdings nur mit entsprechender politischer Weichenstellung realisieren.“
Und die Nachteile?
Dr. Norbert Alt: „Von Kritikern der E-Fuels wird öfter der Wirkungsgrad genannt. Da heißt es, ein Auto mit Verbrennungsmotor und E-Fuels würde – von der Kraftstoffherstellung bis zum Rad – fünf bis sechsmal mehr Energie verbrauchen als ein E-Auto. Allerdings muss man dabei bedenken, dass auch ein Elektroauto nicht immer unter Idealbedingungen fährt und man den Wirkungsgrad da realistischer berechnen muss: Fahre ich im Winter E-Auto mit eingeschalteter Sitzheizung, ist die Reichweite schnell runter. Um die Wirkungsgrade fair zu vergleichen, sollte man das mitbedenken. Bei einem modernen E-Auto ist die Differenz zwischen den Wirkungsgraden noch 2 bis 2,5 – an wirklich kalten und dunklen Tagen fällt dieser Faktor auch schnell deutlich unter 2.“
Auch der Preis wird ja häufig von Kritikern genannt…
Dr. Norbert Alt: „Derzeit wären E-Fuels noch teurer als herkömmliche, fossile Brennstoffe, von denen wir ja aber weg müssen. Der Preis an der Zapfsäule ist jedoch etwas, das vor allem politisch festgelegt wird: Den größten Anteil am Endpreis für den Verbraucher machen Steuern aus. Das ist eine Stellschraube, an der man drehen kann.“
Wie steht Deutschland bei der Erforschung von E-Fuels im internationalen Vergleich da?
Dr. Norbert Alt: „An der RWTH Aachen wird seit mehr als 20 Jahren zu CO2-neutralen Kraftstoffen geforscht. Da geht es um Fragen wie: Welche Eigenschaften muss ein Kraftstoff haben, damit ich ihn blenden kann? Was bedeutet das für den Motor? Der Standort Aachen ist in Europa eine zentrale Forschungsstelle zu diesen Fragen. Von der Forschung her sind wir bereits sehr weit – und weltweit führend unter denen, die sich besonders stark mit E-Fuels auseinandersetzen.“
In welchen Ländern ist das Interesse sonst noch hoch?
Dr. Norbert Alt: „Ich spreche mit vielen Menschen und sehe ein Umdenken. Auch in Saudi-Arabien hat man verstanden, dass deren Zukunft nicht mehr in fossilen Energieträgern, sondern in regenerativer Energie und Zukunftstechnologien wie E-Fuels liegt.“
Warum kann man noch keine E-Fuels tanken?
Dr. Norbert Alt: „Ich bin jedes Mal traurig, dass man in Deutschland noch keine E-Fuels tanken kann, wenn ich an einer Tankstelle vorbeikomme. Die Forschung wäre bereit, Demonstrationsanlagen gibt es bereits. Hier wäre die Politik am Zug: Damit E-Fuels für den Normalverbraucher bereitstehen, bräuchte es milliardenschwere Investitionen in Produktionsanlagen, die sich aber mit Blick auf die Klimaziele Deutschlands lohnen würden. Die Politik müsste hierzu zum Beispiel die Quoten von E-Fuels verbindlich vorschreiben oder finanzielle Anreize schaffen.“
Wo könnten künftig die Anlagen stehen und E-Fuels produziert werden?
Dr. Norbert Alt: „In der MENA-Region, also in der Region vom Nahen Osten bis nach Nordafrika, gibt es genug Sonnenschein, um die gesamte Welt mit Solarenergie zu versorgen. Das wäre ein idealer Standort für E-Fuels-Produktionsanlagen.“
Also Elektromobilität plus E-Fuels?
Dr. Norbert Alt: „Ich fahre selbst ein Elektroauto und kenne die Angst jedes Fahrers, dass die Reichweite nicht ausreicht. Diese Angst verfliegt zunehmend mit wachsender Erfahrung und E-Auto fahren macht große Freude! Aber die Strecke Aachen-München macht schon weniger Freude: Wenn es um lange Fahrten geht, quer durch Deutschland oder in den Urlaub, kommen Hybridlösungen ins Spiel. Für längere Strecken sind flüssige Kraftstoffe mit ihrer riesigen Energiedichte besonders gut geeignet. Ideal ist es, das Elektroauto für die Autobahnlangstrecke mit E-Fuels zu kombinieren, das heißt Elektroautos mit einem sogenannten ‚seriell-parallelen Hybrid‘ mit E-Fuel auszustatten, anstatt sehr großer Batterien, die teuer und schwer sind. Von den fossilen Kraftstoffen müssen wir dagegen komplett weg.“
Abschließende Frage: Wie bewerten Sie die aktuellen Vorschläge der EU Kommission zu EU7?
Dr. Norbert Alt: „Leider wurden bei diesen Vorschlägen die Einschätzungen der technischen Experten nur unzureichend berücksichtigt. Der aktuell vorliegende Vorschlag ist nicht umsetzbar, insbesondere nicht die Forderung von extrem niedrigen Emissionswerten unter allen Randbedingungen, wie z. B. Kurzstrecke und Kaltbetrieb. Es bleibt zu hoffen, dass die EU unter Einbeziehung von Experten einen neuen Vorschlag erarbeiten wird, der auch technisch umsetzbar ist. Zudem stellen Experten in Frage, ob dieser nächste Schritt von EU6d zu EU7 überhaupt noch einen signifikanten Effekt auf die reale Luftqualität bringen wird. Gesetze für E-Fuel-Quoten zur CO2 Reduktion wären für Klima und Umwelt viel zielführender.“
Wir danken Ihnen für das Gespräch.